Videoüberwachung
Lesen Sie hier das Interview der BäckerGastro von dem Sachverständigen Michael Hasecke zur datenschutzkonformen Videoüberwachung.
BäckerGastro: Warum sollte der Gastronom überhaupt eine Videoüberwachung haben? Wieso nimmt er nicht einfach einen Bewegungsmelder?
Michael Hasecke: Die Einbruchsdiebstähle nehmen immer mehr zu. Anstatt eines Bewegungsmelders setzen wir eine Kamera ein und was der Bewegungsmelder früher erkannt hat, dass sieht jetzt die Kamera. Sie zeigt uns, da ist ein Täter oder da ist kein Täter. Dementsprechend können wir reagieren und sofort die Polizei hinzuziehen oder es als falschen Alarm abhaken. Manchmal ist es ja auch nur der Lieferfahrer, der die Brötchen zu früh in die Filiale liefert und nicht auf die Zeit achtet. Das sehen wir jetzt in der Leitstelle, und haben die Möglichkeit, dementsprechend zu reagieren oder eben nicht.
BäckerGastro: Das Image von Video ist ja gerade im Zusammenhang mit Überwachung am Arbeitsplatz, besonders im Einzelhandel, nicht gerade besser geworden.
Hasecke: Natürlich kam mit der Kamera gleich der Einwand: Mitarbeiterüberwachung! Aber: Tankstellen, Kaufhäuser, Discounter: alle haben Video. Nur der Bäcker bzw. auch der Gastronom sagt sich: Ich habe Angst vor den Mitarbeitern. Wenn er das mit der Videotechnik richtig macht, dann kann ihm jedoch nichts passieren. Wenn er die Datenschurzrichtlinien einhält, wenn er die zugehörige Mitarbeiterinformation macht, wenn er Hinweise auf die Kameras anbringt und wenn er den Umgang mit den Daten sowie die Datensicherung berücksichtigt. Wir erarbeiten solche Konzepte vor der
Kamerainstallation mit unseren Kunden.
BäckerGastro: Warum ist Videoüberwachung überhaupt problematisch?
Hasecke: Der Einzelne hat das grundgesetzlich geschützte Recht, selbst über das eigene Bild und dessen Verwendung zu bestimmen. Durch Videoüberwachung im Unternehmen -auch solche zu Zwecken des Diebstahlschutzes -besteht immer die latente Gefahr, dass Beschäftigte überwacht werden. Auch haben die Aufgenommenen oft keine Kenntnis von den Aufnahmen und können nicht kontrollieren, was mir ihren Bildern geschieht.
BäckerGastro: Wie macht der Bäcker/Gastronom es denn „richtig"?
Hasecke: Sie dürfen Kameras eben nicht nutzen, um Mitarbeiter zu überprüfen und zu überwachen oder Leistungen zu bewerten. Aber man darf zur Qualitätssicherung in die Regale schauen. Man darf, mit dem Hausrecht, die Videoanlage nutzen wie eine Einbruchmeldeanlage. Die Kameras
arbeiten ja nachts wie ein Bewegungsmelder und da ist ja keiner im Haus.
BäckerGastro: Wo genau zieht man da die Grenzen?
Hasecke: Es gibt ganz klare Regeln im Datenschutz. Was man machen darf und was man eben nicht machen darf. Es gilt einfach, wirklich vorher beim Bäcker/Gastronomen zu klären, was überwacht werden soll, mit dem Betriebsrat zu reden, einen Datenschutzbeauftragten zu benennen, der gehört werden muss, es muss ein Einverständnis der Mitarbeiter eingeholt werden, es muss unter anderen Maßnahmen auch eine Vorabkontrolle gemacht werden.
BäckerGastro: Wie ist es am Tag?
Hasecke: Wenn ich alle Bereiche -ohne die Sozialbereiche, sondern einfach nur die Bereiche, wo ein Täter vielleicht durchgeht oder wo höchstwahrscheinlich sein Focus wie z.B. Kasse/Tresor/Lager liegt überwache -, dann hab ich einen Riesenvorteil.
BäckerGastro: Weshalb?
Hasecke: Weil wir die Videotechnik zusätzlich mit einem Überfalltaster ausgestattet haben. Der Überfalltaster ist 24 Stunden aktiv und kann natürlich im Falle eines Falles Hilfe herbeiordern.
BäckerGastro: Wann ist die Videoüberwachung überhaupt erforderlich?
Hasecke: Es gilt das Prinzip der Erforderlichkeit. Das bedeutet: Immer dann, wenn der Zweck der Überwachung auf gleiche Weise durch ein milderes, aber gleichermaßen effektives Mittel erreicht werden kann, ist dieses Mittel auszuschöpfen. Wichtig ist jedoch, dass der Zweck -und zwar für jede eingesetzte Videokamera -vorab festgelegt und dokumentiert wird, um dies bei einer Kontrolle durch den Datenschutzbeauftragen bzw. der Aufsichtsbehörden nachvollziehbar zu machen.
BäckerGastro: Wie sieht die Rechtsprechung die Videoüberwachung?
Hasecke: Das Landesarbeitsgericht Hamm (LAG Hamm vom 25.09.2012, Az. 12 Sa 641/12) hat eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Bocholt bestätigt, wonach es in aller Regel keine Entschädigungsansprüche bei zulässiger Videoüberwachung gibt. Eine Bäckerei hat Videokameras in der Filiale installiert, um Einbruchsversuche und Trickbetrügereien, die in der Vergangenheit mehrfach vorgekommen waren, zum Schutze des Geschäfts und der Mitarbeiter zu unterbinden bzw. zu dokumentieren. Die Mitarbeiter wurden vorher genau informiert und erhielten bei der Installation die Gelegenheit, sich über die Funktionsweise und den Erfassungsbereich der Kameras zu unterrichten.
BäckerGastro: Darf Videoüberwachung in Sozialräumen stattfinden?
Hasecke: Eine Videoüberwachung in Bereichen, die überwiegend der privaten Lebensgestaltung der Beschäftigten dienen, ist dagegen grundsätzlich unzulässig. Beschäftigte sollten in diesen Räumen vor jeglicher Überwachung durch den Arbeitgeber geschützt sein; der Schutz der Intimsphäre wird in aller Regel hier überwiegen.
BäckerGastro: Ist auf die Videoüberwachung hinzuweisen?
Hasecke: Ist eine Videoüberwachungsanlage im Einsatz, müssen die Betroffenen auf diese hingewiesen werden. Dieses muss durch ein gut wahrnehmbares und möglichst im Zutrittsbereich der überwachten Fläche angebrachtes normkonformes Schild erfolgen.
BäckerGastro: Wie lange dürfen Videodaten gespeichert werden?
Hasecke: Gemäß der Bestimmungen sind die Daten unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer weiteren Speicherung entgegenstehen. Eine starre Frist hinsichtlich der Aufbewahrungsdauer existiert demnach nicht, die Begründung warum Daten über einen längeren Zeitraum gespeichert werden sollen, muss schlüssig sein!
BäckerGastro: Kann der Bäcker datenschutzrechtliche Bestimmungen überhaupt selber richtig anwenden oder braucht es immer fachkundigen Rat, also Unterstützung von außen?
Hasecke: Ohne den externen Berater geht es nicht. Wir sind ja auch so weit, dass wir heute zumindest das Gespräch vorher dringend einfordern, bevor wir überhaupt irgendwas einbauen. Die meisten Gastronomen sind sehr dankbar darüber und freuen sich, dass wir diese Wege gehen. Ich habe auch schon eine Bäckerei gesehen, da hingen sechs Kameras unter der Decke, bei drei Metern Theke. Da hatte der Bäcker auf jedes Blech eine Kamera gerichtet. So etwas geht nicht, da baue ich einen unerträglichen Überwachungsdruck auf.
BäckerGastro: Gesicherte Leitungen -aber verunsicherte Mitarbeiter, wenn die Kameras aufgehängt werden?
Hasecke: Wir haben da ein paar Regeln, die die Sache ausmachen. Mitarbeiter, Betriebsrat, Datenschutzbeauftragte werden vor der Montage eingebunden. Es wird vorher das Einverständnis eingeholt. Wir machen eine Vorabkontrolle und die erforderlichen Schritte der DSGVO , und es ist rechtlich geregelt, was dabei gemacht werden muss. Die Bereiche, die gesehen werden sollen, werden definiert und festgelegt. Auch den Mitarbeitern wird gezeigt: Schau mal, dass ist der Bereich, so dass kein Überwachungsdruck aufgebaut wird. Wir lehnen grundsätzlich Schwenk-/Neige-oder fokussierenden Systeme ab. Das würde nicht mit dem von uns erarbeiteten Sicherheitskonzept übereinstimmen. Wir schauen nicht in Sozialräume, nicht in Umkleideräume, es werden keine hochauflösenden Kameras eingesetzt, es gibt keine Vorratsdatenspeicherung. Besucher und Mitarbeiter werden auf die Kamera hingewiesen, wir setzen keinerlei versteckte Kameras ein.
BäckerGastro: Was ist bei der Beauftragung von Dienstleistern zu beachten?
Hasecke: Werden Dienstleister wie zum Beispiel Sicherheitsfirmen beauftragt und haben diese Zugriff auf die Videodaten, sind die Vorgaben der DSGVO zu beachten, wenn sich die Beauftragung als Auftragsdatenverarbeitung darstellt. Der Dienstleister ist sorgfältig auszuwählen und schriftlich zu verpflichten. Zudem darf der Dienstleister keine Kopien der Daten anfertigen die Datenträger müssen verschlüsselt werden, um eine unbefugte Kenntnisnahme zu verhindern. Gleiches gilt für internetbasierende Videoanlagen, bei denen die Daten nicht lokal im Unternehmen, sondern auf Servern eines oder mehrerer Dienstleister gespeichert werden. Hier sind die Regeln der DSGVO vom Dienstleister einzuhalten - er muss technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Videodaten treffen und deren Einhaltung regelmäßig kontrollieren bzw. kontrollieren lassen..
BäckerGastro: Sind unsere Datenschutzgesetze Ihrer Meinung nach ausreichend?
Hasecke: Sie sind ausreichend, allerdings gibt es in verschiedenen Bereichen „Grauzonen", wo man die Regeln noch genauer definieren sollte. Doch, die Datenschutzregeln reichen aus, es dürften aber auch nicht weniger sein. Es muss schon immer klar sein, welche Bereiche werden überwacht, wie lange speichere ich und dass ich Mitarbeiter informiere -das sind die Kerndinge, die auf jeden Fall geregelt sein müssen.